Erfahrungsbericht: |
ISO9000ff und Dokumentenlenkung |
eine Geschichte von Veränderungs- und Wissensmanagement |
Die Zertifizierung nach ISO9000ff erfordert
eine konsequente Dokumentenlenkung. Als ich Ende 1997 zur Niederlassung
Rosenheim meiner Firma, und dort zu einer Abteilungs-Stabsstelle kam waren die Weichen
für eine vernünftige Dokumentenlenkung bereits gestellt. Im damals
üblichen Betriebssystem Windows 3.11 wurden für jede
Tätigkeitsgruppe - also zB für die Meßtechniker, für
die Disposition, etc - eigene Programmgruppen eingerichtet. Diese
enthielten Links zu all den Dokumenten, die für die jeweilige
Tätigkeitsgruppe relevant waren. Die Dokumente selbst waren als Dateien
auf einem Fileserver abgelegt. Wenige Wochen später ergaben sich durch eine neue WinWord-Version neue Möglichkeiten. Zusammen mit einer Kollegin "strickten" wir Wordseiten, die nicht nur die bloßen Links enthielten, sondern auch kurze Beschreibungen der jeweiligen Dokumente. Der Übergang von einem System zum anderen musste gleitend sein: nicht alle KollegInnen in den Ressorts waren PC-Freaks und konnten deshalb von einem Tag auf den anderen "umgepolt" werden. Die Word-Links waren eleganter, vielleicht auch leichter erlernbar. Aber eine Reihe von KollegInnen hatten sich an die Programmgruppen gewöhnt und bedurften der detaillierten Beschreibung gar nicht (mehr). Warum also diesen KollegInnen ein anderes System "aufdrücken"? Die Vorteile der Word-Links waren nicht groß genug. Andererseits war der Aufwand, beide Systeme zu pflegen minimal. Also wurden für einige Zeit beide Systeme angeboten und genutzt. Aber es kam wie es immer kommt: etwas Besseres ist des Guten Feind. Ein Kollege aus einer anderen Abteilung fand das System zu umständlich und fing an, selbst zu programmieren. Seine erste datenbank-gestütze Intranetanwendung blieb noch in manchen Bereichen hinter den Windows-Programmgruppen und Word-Links zurück. Aber die zugrunde liegende Methode und Technik war überzeugend. Gemeinsam wurde das Konzept verfeinert und der Kollege passte seine Programmierung entsprechend an. Innerhalb einer sehr kurzen Zeit schuf er unter dem Markennamen RoDoS (Rosenheimer Dokumenten System) eine Datenbank, mit der nicht einfach sterile Dokumente verwaltet wurden. Die Arbeitsanleitungen, Prozessbeschreibungen und technischen Anweisungen enthielten jede Menge "Wissen". Mit Hilfe von RoDoS konnte dieses Wissen aktuell gehalten, abgefragt oder auch einem definierten Personenkreis zugewiesen werden - es konnte gemanaged werden. RoDoS war den Windows-Programmgruppen und den Word-Links in jeder Hinsicht überlegen. In flächendeckenden Schulungen wurden deshalb alle Mitarbeiter der Niederlassung vom Programmierer in der Handhabung der Intranet-Datenbank unterwiesen, für die Ressorts meiner Abteilung übernahm ich die Hotline, aber auch die Koordination für die Bereitstellung der Dokumente. Da gab es nämlich vielfältige Fragen: sollten für jedes Ressort eigene Dokumente erstellt werden, oder sollten es ressort-übergreifende Dokumente sein? Wer soll Autor sein, wer Prüfer, wer Freigebender? In welchem Dateiformat sollten die Dokumente abgelegt werden - WinWord, Excel, Acrobat oder ganz ein anderes? Die Entscheidung über Dateitypen ist ein Beispiel für einen Zwiespalt, der nicht einfach "durch den gesunden Menschenverstand" aufgelöst werden kann. WinWord und Excel waren Programme, mit denen viele KollegInnen mehr oder weniger gut umgehen konnten. Und entsprechend häufig und "selbstverständlich" wurden sie auch her genommen. Der Schulungsaufwand wäre minimal gewesen. Allerdings: bei häufiger Nutzung, insbesondere von längeren Dokumenten, waren diese Dokumente doch unpraktisch. Zum einen waren die Dateien recht groß und damit die Ladezeiten über das Intranet lang. Zum anderen waren die Verknüpfungsmöglichkeiten (Links) umständlich.Die Zentrale verwendete häufig Acrobat. Doch dabei gab es Probleme mit dem Internet-Explorer. Letztlich einigten wir uns für die Abteilung auf HTML. Zusammen mit meiner Kollegin entwickelten wir Vorlagen und "übersetzten" vorhandene WinWord- und Excel-Dokumente. Doch es erschien nicht sinnvoll, dieses Knowhow auf nur zwei Leute zu konzentrieren, die Abhängigkeit wäre zu groß gewesen. Deshalb konzipierte ich eine Schulung für die Anwendung Frontpage. Einige Dutzend Mitarbeiter aus den Ressorts der Abteilung wurden von mir unterwiesen und sie erstellten dann selbständig neue Dokumente bzw "übersetzten" ihre Dokumente bei den allfälligen Revisionen. Auf diese Weise wurden in einem klar gesteuerten Veränderungsprozess neue Fertigkeiten, aber auch neues Verhalten bei den Mitarbeitern entwickelt. |